Handy in der Hand - im Auto?

Wie jeder weiß darf man während der Motor läuft, kein Handy in der Hand halten und es benutzen. Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 03.01.2019 - 2 Rb 24 Ss 1269/18)   entschied, dass das Handy aber nicht verbotenerweise "benutzt" wird, wenn es nur in der Hand gehalten oder aufgehoben wird - solange der Autofahrer nicht drauf schaut.

Das OLG Stuttgart setzte in dem hier vorliegenden Beschluss voraus, dass auch die Änderung des § 23 Abs.1a StVO zum 19.10.2017 dazu bestimmt sei, zu verhindern, dass ein elektronisches Gerät bei der Fahrt «benutzt» werde. Das zweckgerichtete Tatbestandsmerkmal «hierfür» verdeutliche, dass es auf die bestimmungsgemäße Verwendung ankomme.

Weder habe der Betroffene nach den Urteilsfeststellungen auf das Gerät geschaut noch habe er es benutzt. Das bloße Aufheben oder Umlagern eines elektronischen Geräts aber sei vom Verordnungsgeber nicht als ordnungswidrig eingestuft worden (OLG Karlsruhe Beschluss vom 18.4.20231 ORbs 33 Ss 151/23, NJW 2023, 1594, BeckRS 2023, 8047).

Ähnlich entschied das OLG Celle durch Beschluss vom 07.02.2019, Az. 3Ss (OWi) 8/19, das OLG Brandenburg Beschluss vom 18.02.2019 – (2 Z) 53 Ss-OWi 50/19 (25/19) und auch das OLG Hamm, 28.02.2019 - 4 RBs 30/19 (das OLG Hamm "darf" man vor den Amtsgerichten Süddeutschlands tunlichst nicht zitieren!)  

Das OLG Oldenburg korrigierte (Beschluss vom 17.4.2019 – 2 Ss (OWi) 102/19) auch seine vorhergehende Auffassung, dass es genüge, das Handy in der Hand zu halten. Es muss ausdrücklich gehalten werden, "um es zu benutzen".

In einer anderen Entscheidung des OLG Oldenburg ging es um den Anschluss des Gerätes an ein Ladekabel, auch in dem Fall ging das Gericht von einer Nutzung aus.

In den Ausführungen sagt das Gericht mit Verweis auf OLG Düsseldorf, dass eine derartige Handhabung sich nämlich von einem bloßen Aufheben und Umlagern eines Handys unterscheidet, da dieses keinen Bezug zu einer der Funktionen des Gerätes aufweist. Das OLG Düsseldorf hält fest: „ Denn bei einer solchen Handhabung fehlt jeglicher Bezug zu einer gerätetechnischen Bedienfunktion. Ein Kraftfahrzeugführer muss nach dem erkennbaren und verstehbaren Wortlaut der Verbotsvorschrift nicht damit rechnen, dass bereits das bloße Aufheben oder Umlagern eines Mobiltelefons sanktioniert wird. Es wäre auch nicht einsichtig, eine solche funktionsneutrale Tätigkeit bei einem Mobiltelefon anders zu bewerten als bei sonstigen im Fahrzeug mitgeführten Gegenständen (zB Getränkeflasche, Zeitschrift, Zigarettenschachtel).“

In beiden Verordnungstexten ist die Rede von der Nutzung des Gerätes. Hieß es in der „Altfassung“: Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss …, wird heute formuliert: Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen …

Das OLG Oldenburg (OLG Oldenburg, Beschluss vom 25.6.2018, Az 2 Ss 175/18) ging in einer weiteren Entscheidung liberal mit der Auslegung der Bestimmung bezogen auf einen Taschenrechner um. Hier wird eine restriktive Auslegung dargestellt, allerdings wurde in dem Fall auch auf den Bildschirm geschaut, weshalb von einer Nutzung ausgegangen werden durfte.

Wird das Handy dagegen nur umgelagert, um es vor Beschädigungen zu schützen, so liegt kein Verstoß vor. Es gibt dann kein Bußgeld und vor allem keinen Punkt in Flensburg (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.04.2023 - 1 ORbs 33 Ss 151/23 (AG Villingen-Schwenningen), BeckRS 2023, 8047

Auch ein Fahrer eines Tesla, der seinen Touchscreen benutzt, muss aufpassen: Der fest im Fahrzeug der Marke „Tesla“ installierte Berührungsbildschirm (Touchscreen) stellt ein elektronisches Gerät i.S.d. § 23 Abs. 1a Satz 1 und 2 StVO dar, dessen Bedienung dem Kraftfahrzeugführer nur unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift gestattet ist (so OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.03.2020, Az 1 Rb 36 Ss 832/19, BeckRS 2020, 12154).

Hält der Autofahrer aber gar kein Handy in der Hand, sondern nur einen Gegenstand, der einem Handy ähnelt, liegt kein Handyverstoß vor. Zu dieser naheliegenden Entscheidung bedurfte es das OLG Hamm (28.5.19, 4 RBs 92/19), als ein Autofahrer eine Powerbank in der Hand hielt (so auch das AG Nürtingen). Aber Vorsicht: hat die Powerbank eine Tastatur, so ist der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit (Handyverstoß) wieder erfüllt, (OLG Koblenz Beschluss vom 21.12.2020 - 2 OWi 6 SsRs 374/20). Aber ein elektronischer Taschenrechner ist ein Handy (BGH Beschluss vom 16.12.2020 - 4 StR 526/19, aA noch OLG Oldenburg vom 25.6.18, 2 Ss (OWi) 175/18, VA 18, 210).

 

In Berlin (Beschluss vom 14.08.2019, Az.3 Ws (B) 273/19 - 162 Ss 112/19 306 OWi 226/19) entschied das KG nachsichtiger für einen Autofahrer:

"In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt und bedarf deshalb keiner (weiteren) Entscheidung durch den Senat, welche Handlungen im Einzelnen die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1a StVO erfüllen. So ist das bloße Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes – ohne das Hinzutreten eines Benutzungselementes - nicht ausreichend, den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO zu erfüllen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 2 Rb 24 Ss 1269/18 -; OLG Celle, Beschluss vom 7. Februar 2019 – 3 Ss OWi 8/19 -; OLG Brandenburg, Beschluss vom 18. Februar 2019 – (2 Z) 53 Ss OWi 50/19 (25/19) -; OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2019 – 4 RBs 30/19 -; OLG Oldenburg, Beschluss vom 17. April 2019 – 2 Ss (OWi) 102/19 -; alle bei juris; Senat, Beschluss vom 4. Juli 2018 – 3 Ws (B) 183/18 -).

Erforderlich ist vielmehr ein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Gerätes, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 45. Aufl., § 23 Rn. 32). Eine Benutzung des Gerätes setzt indessen nicht voraus, dass etwa eine Verbindung zum Mobilfunknetz zustande kommt, vielmehr ist eine solche bereits bei Ablesen der Uhrzeit oder des Ladezustandes (vgl. OLG Celle a.a.O.) oder bei Betätigung einer Taste zur bloßen Kontrolle der Funktionstüchtigkeit des Gerätes (vgl. KG, Beschluss vom 14. Mai 2019 – 3 Ws (B) 160/19 -, juris) gegeben. Ein Zusammenhang zwischen dem Halten des Geräts und seiner Bedienfunktion ist ebenso gegeben, wenn der Betroffene während der Fahrt ein Mobiltelefon in der Hand hält und mehrere Sekunden auf das Display schaut (vgl. OLG Celle a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O.). Ferner können aus der Art und Weise, in der das Gerät gehalten wird, Rückschlüsse auf dessen Nutzung gezogen werden (OLG Oldenburg a.a.O.)."

 

 

Das Kammergericht (KG) Berlin entschied, dass auch eine Digitalkamera als Gerät der Unterhaltungselektronik nicht nur dazu dient, Fotografien anzufertigen, sondern auch dazu, Datensätze, nämlich einzelne, wieder aufrufbare und auf dem Display der Kamera abbildbare Fotos, zu speichern, über den Flachbildschirm wiederholt anzusehen und zu organisieren. Eben auch diesem Zweck dient die Menüführung der Kamera, deren Funktion damit über die eines reinen Fotoapparates hinausgeht. Nach Ordnungs- und Speicherfunktion sowie Bedienung ist die Digitalkamera ohne Weiteres einem elektronischen Terminplaner oder einem MP3-Player vergleichbar. Sie ist damit ein der Organisation dienendes elektronisches Gerät im Sinne des § 23 Abs.1 a StVO. Kurzum: eine Digitalkamera ist ein Handy im Sinne der Vorschrift (Beschluss vom 09.11.2020 - 3 Ws (B) 262/20-162 Ss 104/20 = DAR 2021, 103).

Gleiches gilt für den Scanner eines Paketauslieferungsfahrers (OLG Hamm Beschluss vom 03.11.2020 - 4 RBs 345/20 - = DAR 2021, 107).

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) führte in der obigen Entscheidung 2023 aus: "Vom möglichen – die Grenze zulässiger richterlicher Interpretation bildenden  – Wortsinn des Begriffs „Benutzen“ ist die bloße Ortsveränderung des elektronischen Geräts nicht mehr gedeckt, weil eine solche Handlung keinen Bezug zur Funktionalität des Geräts aufweist. Auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns dürfen mit Blick auf Art. 103 II GG einzelne Tatbestandsmerkmale nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden .

Die "Handy-Sache" ist also komplex. Nehmen Sie deswegen die Hilfe eines qualifizierten Rechtsanwalts zu Hilfe.

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